Mittwoch, Oktober 28, 2009

Der ganze Monet: Impression

Die Liste der Impressionist(inn)en-Ausstellungen im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist schon beachtlich. Jetzt kommt ein neuer Eintrag hinzu mit dem einfachen Titel „Monet“. So schlicht, so anspruchsvoll – der „ganze“ Monet soll es sein, und es ist die erste Retrospektive zum Werk dieses Ausnahmekünstlers in Deutschland. Das ist umso erstaunlicher, als es bis 1926, dem Todesjahr Monets, schon mehr als 70 Ausstellungen mit seinen Werken in Deutschland gegeben hat. Die erste Impressionistenausstellung eröffnete Fritz Gurlitt in Berlin am 8.Oktober 1883, dem Jahr, in dem der 43jährige Monet endgültig nach Giverny übersiedelt. Gurlitt stellte Arbeiten aus, die Carl Bernstein, der erste deutsche Sammler von Monet, gerade erst in Paris von Paul Durand-Ruel erworben hatte, der seit der 1. Impressionisten-Ausstellung 1874 den Arbeiten dieser zunächst verfemten Malergruppe seine Galerie in Paris geöffnet hatte. Durand-Ruel war neben Bernstein auch Hauptleihgeber von Gurlitts Ausstellung, denn spätestens seit dem unvorhergesehenen Konkurs der Union Générale, dem wichtigsten Kreditgeber Durand-Ruels für „seine“ Impressionisten, am 2.Februar 1882 galt es, ihre Arbeiten zu verkaufen, und wenn schon nicht in Frankreich, dann eben in Deutschland und den USA. Und dazu bedarf es der Präsentation. Auf der nach dem Konkurs eilends eingerichteten 7. Ausstellung der Artistes Indépendants in den Salons des Panorama de Reichshoffen im März 1882 wurden 100 Werke gezeigt - allein 35, mehr als ein Drittel, von Monet. Eines davon ist die Winterstimmung eines Sonnenuntergangs über der Seine von 1880:



Claude Monet
Soleil couchant à Lavacourt, effet d'hiver (1880)
Öl auf Leinwand 101 x 150 cm
Petit Palais, Musée des Beaux-Arts de la Ville de Paris


Mit diesem Gemälde schließt sich der Kreis der „Impressionen“ Monets, der 1873 im Hafen von Le Havre mit einem „Sonnenaufgang“ begonnen und dem für die Entwicklung der Kunst im 20. Jahrhundert bedeutendsten Vorreiter den Namens-Stempel aufgedrückt hatte. „Impression, Soleil levant“ hat zwar nur fast genau ein Viertel der Bildgröße von „Soleil couchant“, die Übereinstimmungen sprechen aber für sich: Über einem im Abenddunst bzw. Morgennebel auf der bildmittigen Horizontale angesiedelten Hintergrund – hier einer Häuserzeile am Seineufer, dort den Kaianlagen und Booten im Hafen von Le Havre – erhebt sich ein leicht aus der bildmittigen Vertikale – hier nach links, dort nach rechts - verschobener orangefarbener Sonnenball, der sowohl die übergeordneten Himmels- als auch die untergeordneten Wasserflächen - hier in abendliche, dort in morgendliche – Farbenglut taucht. Zwei Boote mit jeweils zwei Personen queren im Mittelgrund von links nach rechts mit unbekanntem Ziel die Wasser – hier der Seine, dort des Hafens – und werden hier gerahmt von vielgestaltiger Fluss- und Ufervegetation, dort entlassen in die Weite der offenen See. Gelesen werden können beide Bilder als umspannende Pole einer Serie, einem Arbeitsprinzip, dem ein gesondertes nächstes Kapitel gewidmet sein soll: Die schlichte Erkenntnis „la nature ne s'arrête pas“, die Natur steht niemals still, wird zum Angelpunkt von Monets künstlerischem Schaffen.

Wetter ist Monets zentrales Thema in seinen mehr als 3.000 erhaltenen Briefen, nicht verwunderlich, wenn 90% seiner ca. 2.000 erhaltenen Werke Natur- und Landschaftsschilderungen sind, die von Anfang an im Freien (en plein air) und sogar unmittelbar vor Ort (sur le motif) gemalt sind. Gemeinsam ist den „Impressionen“ der melancholische Blick auf eine Landschaft, die deutlich, aber in sicherer Entfernung, die zivilisatorische Handschrift der Menschen trägt. Präzise unromantische Schilderungen sind Monet wichtig, das Hier und Jetzt, flüchtige und zarte Stimmungen, geprägt vom Erfassen des Augenblicks. Sein Pinsel fängt Tausende von vergänglichen Eindrücken ein, Wolken, Regen, Nebel, das gesamte Spektrum der Grautöne ergänzt durch kräftige Farbflecken, vorzugsweise als Referenz des Lichts: Veränderung der Oberflächen von Himmel und Natur. Das Bild besteht aus tausend hingetupften Pinselstrichen, die in alle Himmelsrichtungen wie Strohhalme zu tanzen scheinen und sich schließlich zu einem Gesamteindruck zusammenfügen. In der Realität löst sich alles in Farbschwingungen auf, Monet gibt die Natur so wieder, wie er sie sieht, als Farbnuancen.


Monet
bis 28. Februar 2010 im Von der Heydt Museum Wuppertal


Es erwarten Sie rund 100 Werke Monets aus Privatsammlungen und Museen in aller Welt, von den Anfängen in der Schule von Barbizon über die großartige impressionistische Phase bis hin zu den riesigen Seerosenbildern, die einen umfassenden Blick auf das Malergenie erlauben. Die Ausstellung wird ermöglicht durch eine enge Kooperation mit dem Musée Marmottan Monet Paris und die bewährte Unterstützung der Dr. Werner Jackstädt-Stiftung Wuppertal.
Der Ausstellungskatalog kostet an der Museumskasse 25 EUR.

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