Montag, Januar 30, 2006

Patrick O’Keeffe

ist 42 Jahre alt und der 2. Preisträger des Story Prize for short fiction, der ihm am 25. Januar 2006 in New York City für sein Buchdebut The Hill Road verliehen wurde (siehe ARTUS 29.01.2006).
O’Keeffe wurde als fünftes von 10 Kindern in Kilteely Co. Limerick geboren, das als Kilroan Eingang in sein Buch fand. Nachdem er schon 1986 illegal in die USA eingewandert war, kehrte er 3 Jahre später mit einem sog. Donnelly Visum, das er in einer Greencard-Lotterie gewonnen hatte, aus Irland zurück und studierte ab 1990 „Englisch“ an der Universität von Kentucky. Sein Studium schloss er 2000 mit einem Master of Fine Arts in Creative Writing der Universität Michigan in Ann Arbor ab, wo er auch heute noch lebt und dort und am Sweetland Writing Center als Lehrbeauftragter für „Englisch“ tätig ist.

The Hill Road erschien Mitte letzten Jahres bei Bloomsbury in London und Viking in New York. Der Ich-Erzähler Jack Carmody berichtet in 4 längeren Erzählungen über Generationen hinweg aus dem ländlichen Südwesten Irlands, der Heimat des Autors, und erzählt von unerfüllter Liebe, dramatischer Leidenschaft, verpassten Chancen und geheimnisvollem Mystizismus. In der Titelgeschichte „The Hill Road“ erinnert sich der junge Mann an seine eigentümlichen Tante und deren unerfüllte Liebe zu einem Soldaten, den der 1. Weltkrieg tragisch veränderte. In „Her Black Mantilla“ verliebt sich ein zurückgezogen lebender Bauer in die jüngere Schwester seiner früheren Geliebten, die er grausam verlassen hat. Eine Zufallsbekanntschaft im Zug zwischen Limerick und Dublin konfrontiert die Witwe des Postmeisters in der Lieblingsgeschichte des Autors, „The Postman’s Cottage“, mit ihrer verdrängten Vergangenheit. „That’s Our Name“ schließlich schildert die schicksalhaften Folgen des Besuchs einer jungen Irisch-Amerikanerin bei ihren Verwandten in der ‚alten Heimat’ – alles Geschichten, die an die irische Sprach- und Bildwelt von O’Casey, Synge und Yeats anknüpfen, die O’Keeffe als Heranwachsender verschlungen hat, aber auch an die lyrische Eloquenz von Edna O'Brien, John McGahern und William Trevor, die den zeitgenössischen Bogen zu der großen kanadischen Geschichtenerzählerin Alice Munro schlagen. Vergleiche mit James Joyce, wie sie euphorisch der Baltimore Sun angestellt hat, scheinen jedoch verfrüht, auch wenn es dem Autor, wie dem Schöpfer von Stephen Daedalus und Molly Bloom, gelingt, aus pastoraler Naturbeschreibung die zeitlos dramatischen Themen von Verbrechen, Leidenschaft, Schuld und Sühne zu entwickeln. Hier wie dort sorgen Religion, Armut und Nationalismus für die starken Kontraste in der Welt- und Selbstsicht der Charaktere, für die Landschaft und Geschichte Irlands unberechenbare Parameter für Naturliebe, Familiensinn und Individualität sind: die Grüne Insel als Ort, wo Geschichten das Leben verändern.
The Hill Road ist ein Buch, das so als terrible beauty seine Leser(innen) in ein Wechselbad von Gefühlen taucht, nicht nur thematisch, weil Grausamkeit und Brutalität ebenso wie Mitleid und Feigheit ihre Darstellung finden, sondern viel subtiler, genuin literarisch, weil der Autor sicher mit dem rhetorischen Repertoire der mündlichen Tradition seiner gälischen Heimat umgeht, mit Dialog und Dialekt, der ihm zu Beginn in seiner neuen US-amerikanischen Heimat oft als „Disgrace“ in geradezu Dubliner Dimensionen erschienen ist – gut so für den Schriftsteller Patrick O’Keeffe.

Für Recherchearbeit in Irland und den USA Dank an meinen Kollegen und Freund Frederick Lamb.